Mein Leben
Alles läuft seinen gewohnten Gang. 4 kleine Kinder, eine Metzgerei, 20 Angestellte. Und plötzlich ist alles anders, plötzlich bin ich im falschen Film. Mit allem alleine.
Wie jeden Morgen klingelt der Wecker pünktlich um 5 Uhr, um Wolfgang, meinen Mann zu wecken, doch der rührt sich nicht. Ich stoße ihn mehrmals an, aber er reagiert nicht. Ärgerlich darüber, dass er den Wecker nicht ausmacht, hangle ich mich über ihn drüber, um den Lärm endlich abzustellen. Sein Rücken ist ganz kalt, fürsorglich stopfe ich ihm seine Decke an seinen Rücken. Wieder rüttelte ich ihn, diesmal heftiger. Nichts, keine Reaktion, kein Ton. Er hatte gestern viel gearbeitet und dann die Sorgen, die ihn fast erdrücken. Ich liebe ihn und verstehe ihn, aber es hilft nichts, jetzt muss er aufstehen. Unten in der Wurstküche, warten vier Metzger auf ihren Chef.
Ich schüttle ihn regelrecht. Irgendetwas stimmt nicht. Er ist nicht nur kalt, er ist auch steif. Erschrocken drehe ich ihn von der Seite auf den Rücken, so dass ich sein Gesicht sehen kann. Bewegungslos und starr, bleich, mit offenen Augen liegt er da.
Tausend, besser Millionen Gedanken und Informationen schießen in meinen Kopf. Ich stehe auf, laufe ums Bett und setze mich auf seine Bettkante. Ich nehme seinen Arm und messe mit meinem Finger seinen Puls. Nichts. Ich bin aufgeregt, unsicher. Ich lege mein Ohr an seinen Mund, um seinen Atem zu spüren. Nichts. Wieder tausend wirre Gedanken. Ich drücke fest und immer wieder auf seine Brust. Ich will nichts unversucht lassen, um ihm zu helfen. Nichts. Warum atmet er nicht?
Ich warte ein wenig, dann gehe ich meine Zähne putzen. Ich komme zurück, setze mich wieder aufs Bett und schaue ihn an. Ich merke, dass er sich immer noch nicht bewegt hat. Also gehe ich nochmal ins Bad. Gründlich, so wie ich es gelernt habe, putze ich meine Zähne. Genau mustere ich mein Gesicht im Spiegel, kämme meine Haare und laufe den Gang zum Schlafzimmer zurück. Im Schlafzimmer das gleiche Bild, ich bin im falschen Film. Das ist nicht mein Leben.
Ab zurück ins Bad. Wieder durch den langen Flur. Im Badspiegel schaue ich mich an und sage zu mir selbst, das, was ich im Schlafzimmer sehe, stimmt nicht. Also gehe ich zurück, das gleiche Bild. Ich setze mich an seine Seite, damit er nicht so alleine ist. Ich bleibe einfach sitzen und halte seine Hand.
Die Zeit vergeht. Alle Panik, alle Zweifel und Unruhe vergehen. Ich bin ganz leer. Mit der Leere kommt die Ruhe, ich bleibe einfach sitzen. Ich habe jetzt alle Zeit der Welt. Mein Mann ist tatsächlich tot. Ich schaue ihn an, so sieht also der Tod aus. Ärmlich, entstellt, steif, kalt, er hinterlässt eine leere Hülle. Es ist nicht mein Mann, der da liegt, es ist der Tod.
Die Zeit vergeht. Alles geht unbegreiflich schnell und doch in einer unsagbaren Langsamkeit. So sitze ich auf der Bettkante. Allmählich taucht die Frage auf, was ich tun soll. Ich lege seine Hand aus meiner. Ich starre zum Fenster. Es wird hell. Er hat mir doch alles gesagt, was ich tun soll, wenn ihm etwas zustoßen sollte. „Wenn mir was passiert, wende dich an Fips und ruf Edwin an.“
Wie im Trance bewege ich mich ins Esszimmer, greife nach den Bachblüten-Notfalltropfen, ich nehme die Tropfen pur auf die Zunge. Dann gehe ich zum Telefon, wieder sagt mir irgendetwas die Telefonnummer von meinem Schwager Fips. Er war gleich selbst am Apparat. Seine Reaktion, „Mach keine Witze!“ empfinde ich heute noch als einen dummen Spruch. Ich gehe zurück zu meinem Mann. Wieder finde ich mich sitzend neben ihm. In ihren Betten nebenan schlafen vier ahnungslose Kinder. Was soll ich tun? Ich sollte es Ihnen sagen, aber alle auf einmal ist mir zu viel.
Ich habe die gesamte Geschichte und meinen Weg zurück ins Leben in einem Buch niedergeschrieben. Gerne dürfen Sie diese Geschickte vollständig nachlesen – sprechen Sie mich einfach bei unserem Kennenlernen darauf an.
Junia Gutjahr